Das Gefühl, „anders“ zu sein als die anderen, kennen Kristina und Andre Steinhauer nur zu gut. Denn sie sind hochsensibel. So wie geschätzt 15 bis 20 Prozent der Bevölkerung. Was genau dieses Persönlichkeitsmerkmal sowohl wissenschaftlich gesehen als auch im ganz „normalen“ Alltag bedeutet und warum Hochsensibilität positiv betrachtet keine Reizüberflutung, sondern eine Wahrnehmungsbegabung ist, erzählten die Geschwister bei ihrer Autorenlesung im Café SALAMANCA.

„Mach dir nicht so einen Kopf!“ „Denk doch nicht so viel darüber nach!“ „Stell dich doch nicht so an!“ Vielen der 50 Gästen dürften die von Kristina und Andre Steinhauer zu Beginn der Lesung zitierten Sätze sehr bekannt vorkommen. Reize intensiver wahrnehmen. Eindrücke stärker verarbeiten. Schwingungen detaillierter spüren. Hochsensible Menschen nehmen sich und ihre Umwelt besonders feinfühlig war. Eine Gabe, die bereichernd, aber auch anstrengend sein kann – sowohl für Hochsensible als auch für ihr Umfeld.

„Ich habe schon früh gemerkt, dass ich eine besondere Gabe besitze – Menschen lesen zu können wie ein Buch“, beschreibt Andre Steinhauer den Zuhörer*innen zu Beginn der Autorenlesung etwas, das vielen hochsensiblen Menschen nicht fremd sein dürfte. Etwas, das er in seinem Beruf als Sozialpädagoge einsetzt, um anderen Menschen bei ihren Problemen zu helfen. Probleme von anderen Menschen früher zu erkennen als sie selbst, ist wiederum etwas, das seine Schwester, Kristina Steinhauer, nur zu gut kennt. Generell ist das Spüren von Stimmungen etwas, dass ihre Hochsensibilität besonders ausmacht.

„Wenn ich in ein Café komme, nehme ich alles ganz genau war. Die Deko, die Gäste, die Atmosphäre – jedes einzelne Detail“, so Steinhauer, die als Fachberaterin und Coach für Hochsensibilität arbeitet, über die intensive Wahrnehmung der Reize um sie herum. Und damit ist sie nicht alleine, denn „hochsensible Menschen sind wie ein Schwamm – sie saugen alles auf.“ Deshalb seien hochsensible Menschen auch schneller erschöpft als andere. „Auch wenn es mir auf einer Party gut gefällt, brauche ich nach ein, zwei Stunden wieder etwas Ruhe und ziehe mich dann zurück“, so Steinhauer über eine Situation, die „andere dann oft nicht verstehen“.

Verstehen konnten dies die Gäste an diesem Abend umso besser. Denn bei der anschließenden Gesprächsrunde zeigte sich, dass viele der Zuhörer*innen ähnliche Gefühle, Erfahrungen und Erlebnisse miteinander teilen. Auch die Hochsensibilität bei Kindern war für einige der Gäste ein wichtiges Thema. „Ich konnte mich als Kind mit Erwachsenen oft besser unterhalten“, erinnerte sich Andre Steinhauer. „Das Kind in seiner Hochsensibilität ernst nehmen, aber trotzdem auf das normale Leben vorbereiten, denn die Welt ist nicht auf die speziellen Bedürfnisse hochsensibler Menschen ausgerichtet“, so der Ratschlag von Kristina Steinhauer an die Eltern im Raum.

Mit auf den Weg gaben die beiden den Gästen noch, dass hochsensible Menschen immer sehr viel „geben“ und deshalb lernen müssen, sich nicht nur um andere, sondern auch mehr um sich selbst zu kümmern. Und nicht so streng mit sich zu sein. „Hochsensible Menschen führen oft Selbstgespräche – und die sind dann meistens nicht besonders nett.“ Besonders nett war dafür dieser Abend, was sich auch im Applaus der Zuhörer*innen widerspiegelte, die auch noch einen „Hochsensibilitäts-Witz“ mit nach Hause nahmen: „Treffen sich zwei Hochsensible. Sagt der eine: Dir geht’s gut! Und wie geht’s mir?

Der Abend mit Kristina und Andre Steinhauer war Bestandteil einer ganzen Reihe von Lesungen im Café SALAMANCA, die der St. Elisabeth-Verein in Zusammenarbeit mit der Gemeinde Cölbe und der Gemeindebücherei organisiert und veranstaltet.

Mehr über Kristina und Andre Steinhauer auch in der Hessenschau:

https://youtu.be/2esRcI2oTEM?si=yoK9V-R2EeJaByb9

„Hochsensibilität ist eine Gabe“: Das Buch ist als Taschenbuch im Buchhandel erhältlich.